Am 27. Juni 2019 veranstaltete das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee ein ganz besonderes Konzert. Vier Violinistinnen und ein Bratschist spielten vor 80 Gästen aus komplementären Einrichtungen, dem Alexianer St. Joseph-Krankenhaus und dem Bischof-Ketteler-Seniorenpflegeheim.
„Wir haben uns darüber gefreut, dass so viele Menschen unserer Einladung gefolgt sind – von großen und kleinen Patienten unserer Mutter-Kind-Station über begleitete Patienten unserer geschützten Stationen bis hin zu Seniorinnen und Senioren aus dem Bischof-Ketteler-Haus“, sagt Dr. med. Iris Hauth, Regionalgeschäftsführerin und Ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee.
Avri Levitan, der gleichzeitig Gründer und künstlerischer Leiter von Musethica ist, gilt als einer der besten Bratschisten der Welt. Die Violinistinnen Karolina Gutowska, Emilia Jarocka und Kasia Denkiewicz-Stawujak von der Akademie des Symphonischen Orchesters Warschau, die zusammen mit ihrer Dozentin Anna Maria Staskiewicz auftraten, sind Teilnehmerinnen des Exzellenzprogramms Musethica.
„Es war zu spüren, dass die Musikerinnen, die auf höchstem Niveau musiziert haben, die Zuhörer in ihren Bann ziehen konnten. Avri Levitan live spielen zu hören, war eine große Freude – ebenso wie seine launigen Moderationen“, führt Hauth aus.
Ein Ausbildungsprogramm mit sozialer Wirkung
Die Idee zu Musethica hatte Levitan vor knapp zehn Jahren eher zufällig in einer spanischen Kleinstadt, während er mit Schülern an einem Bach-Satz arbeitete. Um Konzertbedingungen zu schaffen, bat der 1973 in Tel Aviv geborene und in Berlin lebende Spitzenmusiker zwei Männer, die auf der Straße Drogen verkauften, in den Probenraum der Musikhochschule. Während des Konzerts seien die beiden Männer keine Kleinkriminellen gewesen, sondern das Publikum.
Ähnliche Situationen wiederholten sich – und so gründete Avri Levitan zusammen mit einer Professorin für Sozialwirtschaft im Jahr 2012 das Ausbildungsprogramm, das sich inzwischen international verbreitet hat.
Musethica-Konzerte sind für alle Teile der Gesellschaft zugänglich und richten sich vor allem an Menschen, die aufgrund ihrer aktuellen Lebenssituation nicht die Möglichkeit haben, ein Konzert zu besuchen. 85 Prozent der Konzerte finden in sozialen und pädagogischen Einrichtungen, statt. Und zwar stets kostenlos.
Musik bewegt
Die durch eine internationale Jury ausgewählten Musikerinnen präsentierten im St. Alexiussaal unter anderem Werke von Witold Lutosławski, Grażyna Bacewicz, Béla Bartók und Antonio Vivaldi.
„Nicht nur das Zusammenspiel der Musiker mit dem Publikum, sondern auch die Gesamtatmosphäre habe ich als ausgesprochen warmherzig und erfrischend empfunden", sagt Musikwissenschaftlerin Therese Liefke, die seit über 25 Jahren am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus tätig ist, und auf das Exzellenzprogramm aufmerksam geworden war. „Allein von den Patienten und Kollegen meiner Station kamen durchweg begeisterte Rückmeldungen. Eine Patientin erzählte mir am Abend, dass sie durch die Musik daran erinnert wurde, wie sie früher mit ihrem Bruder auch ‚diese Stücke‚ den Vivaldi, den Telemann, den Bartok' gespielt habe – sie an der Geige, ihr Bruder an der Bratsche. Eine andere Patientin berichtete meinem Kollegen sehr angetan von dem Erlebten. Nur sei dort so ‚ein Verrückter', gewesen, der recht laut war und sich als Zugabe das ‚ABC' gewünscht habe." Liefke selbst habe der Moment, als dieser Patient den Musikerinnen Blumen überreichen durfte und sich bei jeder einzelnen Dame die Erlaubnis für eine kleine Umarmung geholt hat, sehr berührt.