Parkinson-Komplexbehandlung

Prof. Dr. med. Thomas Müller

Intensivtherapie für Parkinsonpatienten

Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung weltweit. Diese chronische Ganzkörpererkrankung wird unter anderem symptomatisch durch die Gabe von Medikamenten, die den Botenstoff Dopamin substituieren, behandelt. Über die multimodale Parkinson-Komplexbehandlung im Zentrum für Parkinsontherapie der Klinik für Neurologie am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee berichtet Chefarzt Professor Dr. med. Thomas Müller im Interview.

Was versteht man unter einer Parkinson-Komplexbehandlung?

Die Parkinson-Komplextherapie ist ein stationäres Behandlungskonzept, das auf mindestens 14 Tage angelegt ist, häufig aber länger läuft. Sie beinhaltet auch aktivierende Therapien mit mindestens siebeneinhalb Stunden pro Woche. Über dieses Limit gehen wir hinaus, um in Ergänzung zur Optimierung der medikamentösen Einstellung das Beste für den Patienten herauszuholen. Jeder Patient erhält eine dem Verlauf der Erkrankung entsprechende und an seine Bedürfnisse angepasste maßgeschneiderte Therapie. Standardisierte Vorgaben sind für dieses personalisierte Therapiekonzept kontraproduktiv.

Für welche Patienten ist eine Komplexbehandlung sinnvoll?

Je weiter fortgeschritten die Erkrankung ist, desto effektiver wirkt die Parkinson-Komplexbehandlung. Für den Zeitraum des stationären Aufenthalts werden zudem pflegende Angehörige entlastet. Aber auch für Patienten, bei denen erst kürzlich Parkinson diagnostiziert wurde, ist sie sinnvoll. Denn gerade zu Beginn der Erkrankung benötigen diese Patienten häufig psychotherapeutische Begleitung durch erfahrene Ärzte.

Nach welchen Kriterien wird das individuelle Therapieziel festgelegt?

Wir verfügen über erfahrene Teams in den einzelnen Fachbereichen, sodass persönliche Problemfelder der Patienten rasch erkannt werden. In unseren regelmäßigen, fachübergreifenden Besprechungen legen wir die bestmögliche, individuelle Therapie fest, um für unsere Patienten die optimale Lebensqualität zu erreichen.

Basiert die Parkinson-Komplextherapie auf Einzel- oder Gruppentherapien?

Sowohl als auch: Logopädie, Ergotherapie, „BIG-Training", Sporttherapie, Bogenschießen und Physiotherapie finden in der Regel als Einzeltherapien komplementiert durch Angebote in Gruppentherapien statt. Weitere aktivierende Programme wie beispielsweise Yoga, Tanzen oder Tai Chi finden in der Gruppe statt.

Wie gut bekommen Sie die Symptome innerhalb weniger Wochen in den Griff?

Parkinson äußert sich nicht nur in den nach außen sichtbaren motorischen Störungen. Daher ist eine ganzheitliche Betrachtung wichtig. Die Symptome kann man durch die optimale Einstellung der Parkinsonmedikamente gut in den Griff bekommen. Auswirkungen der motorischen Defizite können mit regelmäßiger Ergotherapie und Physiotherapie gemildert werden. Aufgrund der Schwere der Erkrankung leiden viele Patienten unter Depressionen oder Angststörungen. Diese müssen dringend erkannt und rechtzeitig behandelt werden.

Wie werden Sprechstörungen im Rahmen dieser Therapie behandelt?

Ein häufiges Symptom bei Morbus Parkinson ist eine leise undeutliche Sprache (Hypophonie). Diese entsteht durch die eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit der Atemmuskulatur: Parkinsonpatienten atmen flacher, sodass die Stimme leiser wird und heiser beziehungsweise undeutlich klingt. Spezielle Therapien im Rahmen der Logopädie trainieren die Sprachmuskulatur und erzielen exzellente Ergebnisse. Auch, weil wir mehr als die von den Krankenkassen vorgegebenen siebeneinhalb Therapiestunden pro Woche anbieten.

Wie wirksam sind moderne Parkinsonmedikamente?

Die richtige medikamentöse Einstellung ist von großer Wichtigkeit, aber sie braucht Zeit. Daher ist die Parkinson-Komplexbehandlung eine sehr gute Möglichkeit, diese Basiseinstellungen vorzunehmen und mögliche Nebenwirkungen abzufangen. Während des Klinikaufenthaltes können wir in Zusammenarbeit mit den Patienten eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sicherstellen. Diese enge Begleitung erhöht die Bereitschaft zur Einnahme der Medikamente, weil die Patienten innerhalb kürzester Zeit spüren, wie viel besser es ihnen gehen kann."

 

Interview: Susanne Amrhein, Primo Medico