Psychiatrie mit offenen Türen im Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee
Die Behandlung akut psychisch erkrankter Menschen auf offenen Stationen verringert die Zahl von Entweichungen und gewalttätigen Zwischenfällen – das belegen die Erfahrungen vieler psychiatrische Kliniken. Zudem entspricht dies auch einem Expertenkonsens der S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Auch das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema „Umgang mit Zwang und Gewalt“ und initiierte diesbezüglich verschiedenste Projekte mit dem Ziel, die Behandlungsbedingungen, vor allem auf den akutpsychiatrischen Stationen, weiter zu verbessern.
Auf Bestreben von pflegerischen und ärztlichen Kolleginnen und Kollegen des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie wurde Anfang 2022 ein interdisziplinärer Workshop der akutpsychiatrischen Stationen St. Cuirinius, St. Dominicus, St. Franziskus und St. Gertrud initiiert. Ziel war es, Konzepte und innovative Behandlungsansätze zur Reduzierung von Zwangsmaßnahmen zu diskutieren und notwendige Strategien zur Implementierung zu entwickeln, um die Behandlungsbedingungen weiter zu verbessern. Patientenwohl und Mitarbeitersicherheit standen im Vordergrund.
Bereits im Januar 2022 verständigte sich die interdisziplinäre Gruppe auf die Öffnung der Stationstüren montags bis freitags von 09:00 bis 12:00 Uhr und erreichte damit ein erstes Ergebnis.
Die Umsetzung erfolgte ab Mai 2022. Vorausgehend fanden Gespräche mit den Stationsteams statt, um mögliche Umsetzungshindernisse und Ängste im Vorfeld zu thematisieren und diesen entgegenzuwirken. Auch der zuständige Polizeiabschnitt wurde über das Vorhaben informiert. „Das Ziel der offenen Türen soll nicht zu Lasten anderer wichtiger Aspekte von Autonomie und Sicherheit realisiert werden. Entscheidend ist es, eine Gesamtstrategie zu entwickeln, um weitgehenden auf Restriktionen verzichten zu können“, sagt Frauke Förster, Pflegedirektorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee.
Weitere Workshops
Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität des Themas wurden in der Folge weitere Workshops unter Beteiligung der pflegerischen Stationsleitungen, Stationsärztinnen und -ärzte, Oberärztinnen und -ärzte sowie der Genesungsbegleiterinnen und -begleiter der vier akutpsychiatrischen Stationen wie auch der Leitung Therapeutischer Dienste, der Stabsstelle Pflegeentwicklung, der Pflegedirektorin und der Chefärztin durchgeführt. Moderiert wurden die bisherigen Workshops von Petra Rossmanith, der Leiterin Therapeutische Dienste im Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus, die Erfahrung in der Moderation und Mediation interdisziplinärer Teams mitbringt.
„Sowohl Patientinnen und Patienten als auch unsere Kolleginnen und Kollegen der akutpsychiatrischen Stationen berichten von einem entspannteren und ausgeglichenerem Stationsklima und neuen Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung. Dies bestärkt uns in unserem Bestreben, eine moderne Psychiatrie zu schaffen und mit Tabu-Themen, zu denen die Zwangsmaßnahmen immer noch zählen, zu brechen und Konzepte zur Verbesserung des Patientenwohls zu etablieren,“ erklärt Dr. med. Iris Hauth, Ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee und Regionalgeschäftsführerin der Alexianer St. Joseph Berlin-Weißensee GmbH.
Evaluation bestätigt positive Effekte
Begleitet und evaluiert wird das Pilotprojekt unter anderem durch die Stabsstelle Pflegeentwicklung. „Das Stationsklima hat sich nachhaltig verbessert. Die interdisziplinären Teams der Stationen entwickeln aktuell gemeinsam Strategien zur Ausweitung der Türöffnung, um auch in den Nachmittagsstunden von den positiven Effekten zu profitieren“, erläutert Pflegedirektorin Frauke Förster die ersten Ergebnisse der internen Evaluation.
Begleitend wird auf der Station St. Gertrud das Safewards-Konzept, ein evidenzbasiertes Modell zur Vermeidung von Konfliktsituationen auf psychiatrischen Stationen, eingeführt. Auch hier sind erste Erfolge zu verzeichnen. So konnten bereits zwei der zehn Interventionen des Modells nachhaltig implementiert werden.
Die Belegungsstreuung der Stationen, insbesondere die Belegung der Intensivbereiche, wird im Fokus des kommenden Workshops stehen. Die Aufrechterhaltung der Autonomie von Patientinnen und Patienten, die Reduzierung von Gewalt und Zwang sowie die Sicherheit aller Beteiligten werden hierbei im Zentrum stehen.
Jacob Helbeck
Psychiatrische Pflege B.A.
Stabsstelle Pflegeentwicklung
Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee