Fachkrankenhaus etabliert Sekundärprävention für Patienten nach Suizidversuch

Suizidprävention

, Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee

In Deutschland sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen. Im Jahr 2021 nahmen sich etwa 9.200 Menschen das Leben. Zwischen 50 und 90 Prozent der Suizide lassen sich auf eine psychische Erkrankung zurückführen (DGPPN). Aus diesem Anlass berichten wir über ASSIP (Attempted Suicide Short Intervention Program), ein Programm für Patienten nach einem Suizidversuch, das im Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee zum Einsatz kommt.

Als suizidgefährdet gelten Menschen, die wiederholt Suizidgedanken hegen, sich mit Suizidabsichten tragen, die suizidale Handlungen ausführen oder die vor kurzer Zeit einen Suizidversuch überlebt haben.

ASSIP ist eine routinemäßig empfohlene Sekundärprävention für Patienten nach Suizidversuch. Das spezifische klinische Angebot dient der Klärung der Hintergründe eines Suizidversuchs und der Erarbeitung von Maßnahmen zur Vorbeugung suizidaler Krisen. Anwendung findet ASIPP auf der Station 12 St. Vitus, einer spezialisierten Station für depressive Erkrankungen und akute Krisen.

Ein erfolgter Suizidversuch ist der wichtigste Risikofaktor für einen späteren Suizid. Er erhöht das Risiko über Jahre hinweg um ein Vielfaches. ASSIP hat das Ziel, das Suizidrisiko für weitere suizidale Handlungen zu reduzieren. Das Angebot ersetzt keine Psychotherapie, sondern soll diese ergänzen.

ASSIP umfasst vier Schritte:

1. Therapeutisches Interview, bei dem der Betroffene seine persönliche Geschichte, das sogenannte Narrativ zum Suizidversuch und dessen Hintergründe, berichtet: Der Patient erhält zudem Unterlagen zu suizidalem Erleben und Verhalten.

2. Video-Playback: Das aufgezeichnete Interview wird gemeinsam angeschaut. Abläufe, die einer suizidalen Krise vorausgehen, werden geklärt, Warnzeichen aufgedeckt und präventive Strategien erarbeitet.

3. Fallkonzeption suizidalen Verhaltens: Die Hintergründe der suizidalen Krise, längerfristige Therapieziele, Warnzeichen und ein persönlicher Krisenplan für den Fall von Suizidgefahr werden erarbeitet und schriftlich für den Patienten festgehalten. Auf Wunsch erhält dies auch der weiterbehandelnde Therapeut.

4. Briefliche Beziehungskontinuität: Über mindestens zwei Jahre hinweg nimmt das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee alle drei beziehungsweise sechs Monate Kontakt zum Patienten auf.

In Studien konnte eine Reduktion von weiteren Suizidhandlungen um nahezu 80 Prozent durch diese Intervention erreicht werden (A. Gysin-Maillart, ASSIP, 2021, Hogrefe Verlag).