Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die sowohl das Gehirn als auch das Rückenmark betrifft. Die Erkrankung, die in Schüben auftritt, lässt Entzündungen entstehen, die zu zahlreichen Symptomen führen können. Da sich der Krankheitsverlauf von Patient zu Patient stark unterscheidet wird MS auch als „Krankheit mit den 1.000 Gesichtern“ bezeichnet. In Deutschland leben mehr als 240.000 Menschen mit der Erkrankung, weltweit sind es nach Schätzungen etwa 2,5 Millionen. MS wird vor allem bei jüngeren Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren diagnostiziert. Frauen erkranken zwei bis viermal so häufig wie Männer. Über die Therapie von Multipler Sklerose in der Klinik für Neurologie am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee berichtet Chefarzt Prof. Dr. med. Thomas Müller im Interview.
Warum erfordert die Therapie von MS-Patienten ein hohes Maß an innovativen und individuellen Maßnahmen?
In der Therapie der Multiplen Sklerose werden zwei Therapiesäulen unterschieden – zum einen die Schubtherapie und zum anderen die vorbeugende immunprophylaktische Therapie. Die Schubtherapie behandelt den akuten Schub. Durch die immunprophylaktische Therapie wird sowohl die Anzahl als auch die Schwere von Schüben reduziert. Ziel dieser Therapie ist es, eine mögliche spätere Behinderung zu verhindern beziehungsweise zu verhindern. Daher wird diese Therapie möglichst früh begonnen. Die Therapielandschaft der hierfür zur Verfügung stehenden Präparate zeigt sich durch diverse Innovationen immer ausdifferenzierter. Bei der Wahl des individuell geeignetsten Medikaments sind viele Aspekte zu berücksichtigen. So spielen unter anderem die Verlaufsform, das Krankheitsstadium, das Alter und Begleiterkrankungen, die Einnahmeart (Tabletten, Injektionen, Infusionen), die Einnahmefrequenz (von täglicher Einnahme bis hin zu halbjährlichen Verabreichungen), die Erfahrungen mit Vortherapien sowie die Vereinbarkeit mit etwaiger Berufstätigkeit oder der Familienplanung eine wichtige Rolle.
Während eines akuten MS-Schubes wird zur Entzündungshemmung in der Regel hochdosiertes Kortison, wie Methylprednisolon, eingesetzt. In bestimmten Fällen, meist nur bei sehr starken Schüben, kann ein sogenanntes Plasmaaustauschverfahren angewendet werden.
Was ist die besondere Herausforderung?
Bei progredienten MS-Patienten kann durch die intrathekale Therapie eine Verbesserung der klinischen Symptomatik erreicht werden. Mit einer Lumbalpunktion wird ein retardiertes Steroid, Triamcinolon, appliziert. Eine Verdreifachung der maximalen Gehstrecke wird erreicht. Grund hierfür ist, dass durch diese Therapie im ZNS Reparaturvorgänge ausgelöst werden.
Die intrathekale Therapie wird an unserer Klinik im Rahmen einer stationären, frührehabilitativen Behandlung angeboten. Sie beinhaltet ein individuell angepasstes Konzept mit intensiver Behandlung durch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden.
Ist es sinnvoll, ein MS-Schwerpunktzentrum aufzusuchen oder reicht der Besuch einer Facharztpraxis?
Individuelle Behandlungsstrategien erfordern ein umfangreiches Detailwissen. MS-Patienten sollten ein spezialisiertes MS-Zentrum aufsuchen. Ein Vorteil der MS-Ambulanz im Alexianer St. Joseph-Krankenhaus ist, dass für progrediente MS-Patienten additiv die intrathekale Therapie vorgestellt und eingeleitet wird.
Weiterführende Literatur:
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